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Unsere Hunde sind arbeitslos !

In vielen Haushalten leben Menschen mit einem kaltschnäuzigen, schwanzwedelnden Vierbeiner zusammen, nämlich dem Hund auch bezeichnet als „Der beste Freund des Menschen".
Wölfe, Raubtiere unserer heimischen Wälder, wurden domestiziert. Nach und nach profitierten die Menschen immer mehr von den Eigenschaften dieser Spezies und sie wurden zu treuen Begleitern des Menschen.
Mit der Zeit bildeten sich durch strenge Selektion verschiedene Phänotypen der Hunde heraus. Diese Selektion erfolgte aufgrund der erbrachten Leistung bzw. Eigenschaften der Hunde. Nach und nach kristallisierten sich so im Laufe der Evolution verschiedene Rassen mit ihren jeweiligen Aufgabenbereichen heraus. Das Erscheinungsbild der jeweiligen Rassen war zweitrangig.

Erstes Gebot war, dass der einzelne Hund seine Aufgabe so gut wie möglich erfüllen konnte. Vermutlich ist die beschriebene Entstehung der Hunderassen nahezu allen Hundehaltern bekannt. Es ist nicht die Absicht dieses Textes die Entstehung und Domestizierung des Hundes näher zu beschreiben. Es ist aber immer im Gedächtnis zu behalten, wie lange wir Menschen bereits mit diesen Abkömmlingen des Wolfes zusammen leben,   geschätzt etwa  seit über 100.000 Jahren.

Verschiedenste Rassen sind in dieser Zeit entstanden. Wach- und Schutzhunde, Rassen für die Bekämpfung von Ratten und anderen Kleinnagern, Jagdhunde sowie Treib- und Hütehunde. Diese  bilden den größten Anteil der Hunderassen.
Heute, im Jahre 2018, sind nur noch die wenigsten Rassen in ihrem ursprünglichen Arbeitsgebiet aktiv. Die Veranlagungen schlummern aber nach wie vor in ihnen. Die meisten Hunde werden als Familien- und Begleithunde gehalten, ursprünglich waren diese Rassen zumeist jedoch aber passionierte Jagd- oder Hütehunde wie z. B.  Beagle, Australien Shepherd, Collies oder Weimaraner,nur um ein paar  Rassen zu nennen.
  Viele Hundehalter sind ambitioniert und kennen das Bedürfnis der Hunde und ihrer rassetypischen Ansprüche und Eigenheiten. Jedoch gibt es leider auch eine sehr große Zahl an Hundehaltern, die sich diesen Bedürfnissen  zwar bewusst sind, sie aber ignorieren. Dies zeigt sich vor allem dann, wenn hoch spezialisierte Jagdhunderassen immer wieder bei Hundetrainern oder in Hundeschulen mit Problemverhalten auftauchen: „ Der hört nicht und geht jagen“. Auch sind Hütehunde, welche Autos, Radfahrer oder Motorradfahrern hinterher hetzen wollen keine Seltenheit.
Leider häufen sich auch die Angriffe von Hunden auf Menschen, die tödlich verlaufen. Stetten, Hannover und Köngen sind Orte, die in letzter Zeit gehäuft in den Medien im Zusammenhang mit tragischen, tödlichen Beißvorfällen genannt werden müssen. Medial die größte Aufmerksamkeit lieferte 2018 der Vorfall „Chico“ aus Hannover. Der aktuellste Vorfall ist der Rüde Pascha vom Münchner Hauptbahnhof, welcher von der Polizei erschossen werden musste.
Die einzelnen Vorfälle wurden medial bereits umfassend aufgearbeitet, sodass ich nicht weiter darauf eingehen möchte. Jedoch steht nach solchen Vorfällen immer wieder die Frage im Raum: Warum kommt es zu solchen Übergriffen?
Meiner Meinung nach  ist es nicht die Rasse allein, die manche Hunde gefährlicher macht als andere. Jedoch hat jede einzelne Rasse ein anderes Potenzial. Nicht nur die Größe und das Gewicht ist entscheidend, sondern auch das Wesen das solche Rassen mit sich bringen. Bei diesen Übergriffen ist zu beobachten, dass es nicht an der Hunderasse festgemachten werden kann.
  Zum einen greifen ein Kangal (Herdenschutzhunde), Chico,ein Terriermischling (Jagdhund) und Pascha ein Rottweiler (Schutz- und Wachhund) Menschen an. Diese Rassen haben auf ihr ursprüngliches Aufgabenfeld  nur wenig gemeinsam. Dafür sind aber umso mehr Gemeinsamkeiten in ihren Charaktereigenschaften auffällig. All diese Hunde sind Rassen mit einem ausgeprägten und starken Selbstbewusstsein.

Zurück zu den Hunden die in unseren Haushalten leben. Von den wenigsten geht eine wirkliche Gefahr aus. Doch die Vermutung,  weshalb es zu solchen Angriffen kommt, liegt in meinen Augen darin,  dass der Hund heutzutage nicht mehr nur als Hund gesehen wird.
  Sieht man sich in den sozialen Netzwerken um, so sieht man Hunde die verkleidet werden, die ihren Geburtstag feiern oder gerade eine Chipstüte zerrissen haben.
Hier wird wider der Natur des Tieres gehandelt. Ich respektiere den Hund nicht als das was er eigentlich sein sollte, Ausnahme vielleicht die zerissene Chipstüte, da ist der Hund wohl seinem Instinkt gefolgt. Ob diese Aktionen zur Bespaßung anderer gepostet werden soll, muss jedem einzelnen überlassen bleiben.

  Nichts desto trotz sehe ich diese Entwicklung kritisch.
Denn die Hunde werden auch in den einzelnen Rassehundegruppen so präsentiert. Die passionierten Jagdhunde dösen auf der Couch oder bekommen einen Geburtstagskuchen gebacken. Die Wach- und Schutzhunde werden  mit Plüschkaninchenohren präsentiert. Dabei geht der wahre, ursprüngliche Zweck der Hunde in der Öffentlichkeit verloren und die Hunde, die durchaus Potenzial haben, werden geradezu verniedlicht. Nur noch wenige Hundehalter zeigen Ihre Hunde bei der Rettungshundearbeit, beim Mantrailing oder aktiven Hundesport und das obwohl in zahlreichen Haushalten waschechte Jagdhunde und Vollgebrauchshunde leben. Die Hunde haben keine Aufgaben mehr. Passionierte Hunde suchen sich im Zweifelsfall jedoch eine Aufgabe und die ist meistens nicht im Sinne des Hundehalters. Viele dieser Hunde zeigen – aufgrund mangelnder Auslastung- früher oder später Verhaltensauffälligkeiten. Die angestaute Energie der Hunde, die für extreme körperliche und geistige Anforderungen gezüchtet wurden, beispielsweise Hütehunde wie Border Collie oder Australien Shepherd, suchen sich dann ein Ventil, wie sie ihre überschüssige Energie los werden können.
  Ebenso Jagdhunde, deren Aufgabe es war, Wild  kilometerweit durch den Wald zu jagen, oder Terrier, welche furchtlos den Konflikt mit wehrhaftem Wild suchten. Sofern die Hunde nicht bei Jägern oder Schäfern leben, kann kaum ein normaler Hundehalter seinem Hund eine natürliche Auslastung in dieser ursprünglichen Form bieten. Es liegt also an den Hundehaltern ihre Hunde alternativ auszulasten. Suchen sich die Hunde eine Auslastung aufgrund mangelnder Beschäftigung, so wird es meist dann gefährlich, wenn man es mit Hunden zu tun hat, welche aufgrund ihrer ursprünglichen Aufgabe ein relativ furchtloses  Wesen und eine gewisse Art an Aggressivität mit sich bringen. Damit ist nicht gemeint, dass die Rassen von Grund auf aggressiv sind!  Sie haben einfach ein anderes Potenzial als andere Rassen.  Ich vergleiche hier gerne den Beagle mit dem Dackel. Wohl jeder kennt die Geschichte des krummbeinigen Dackels, der es auf die Wade des Postboten abgesehen hat. Der Dackel ist ein Baujagdhund, welcher es auch mit einem Fuchs aufnehmen kann. Er ist furchtlos und bringt ebenfalls ein gesteigertes Potenzial mit sich. Er weicht Konflikten nicht aus, sonst wäre er bei einer Fuchsjagd schnell wieder aus dem Bau geflüchtet wenn er auf den Bewohner Reineke stößt, welcher sich nur ungern aus seinem Bau vertreiben lässt. Auch heute ist noch zu beobachten, dass der Dackel sehr furchtlos ist und sich auch nicht von größeren Artgenossen beeindrucken lässt.

Der Beagle, eine Bracke, gezüchtet für das lange Hetzen von Niederwild, das er jedoch nicht packen soll, ist ein – für viele Bracken typisch- sensibler Hund. Beagle sind Hunde, die aufgrund ihrer Freundlichkeit leider sehr oft als Laborhunde gehalten werden, da sie zu wenig Aggressivität neigen.

Diese beiden Jagdhunde treten also sehr verschieden auf, begründet auf unterschiedliche Wesensmerkmale, die für die jeweilige Rasse typisch sind.
Diese Rassen haben unterschiedliche Potenziale. Während der Dackel ein hohes Potenzial mit sich bringt, ist der Beagle ein Vertreter mit wenig Potenzial für Aggressivität bzw. aggressives Verhalten.
Oft hängt es auch damit zusammen, ob ein Hund in einer Konfliktsituation eher dazu neigt nach vorne zu gehen und die direkte Auseinandersetzung sucht oder den Konflikt zu vermeiden versucht und ausweicht. Natürlich entscheidet auch der individuelle Charakter eines Hundes sowie seine soziale Prägung wie er mit den jeweiligen Situationen umgeht. Eine gewisse Basis und Grundveranlagung bringt jedoch jeder Rassehund mit sich.
Bezugnehmend auf meine zuvor genannten Beobachtungen in den sozialen Medien stelle ich mir oft die Frage, ob sich alle Halter bewusst sind, mit welchen Hunden und dem damit verbundenen Potenzial   sie unter einem Dach leben. Diese Potenziale sind auch Talente die Hunde mit sich bringen, die sehr effektiv für viele Hundesportarten genutzt werden können, manchmal sogar müssen. Dies ist eine tolle Methode, dass die Hunde ihre Triebe ausleben können. Zugleich stärkt es die Mensch-Hundebindung ungemein. Bei einigen Rassen ist die Auslastung einfacher, bei anderen, wie beispielsweise Herdenschutzhunden, eher schwierig. Hier ein adäquaten Betätigungsbereich zu finden ist eher problematisch.
  Ich wage nicht darüber zu urteilen, ob diese Hunderassen in unserer Gesellschaft gut genug ausgelastet bzw. ihrer Rasse gerecht gehalten werden können. Für die meisten Menschen ohne große Höfe oder Firmengelände wohl nicht.
Deshalb liegt  auch sehr viel Verantwortung beim Halter,  wenn man einen Hund hält der viel Potenzial mit sich bringt. Es liegt am Halter, den Hund auszulasten, zu erziehen und auch unter Kontrolle zu haben.
  Bezugnehmend zu den Beißvorfällen der vergangenen Monate:
Es waren immer Hunderassen beteiligt, die viel Auslastung und eine konsequente Führung der Halter fordern. In mindestens zwei dieser Fälle wurden die Hunde nicht ihrer Rasse gerecht gehalten, zugleich waren es Hunde mit viel, von mir oben beschriebenen, Potenzial. Es ist eine gefährliche Mischung sich Hunde dieser Arten zu halten, zugleich die Erziehung/Auslastung zu vernachlässigen. Gerade bei großen und schweren Hunden kommt es zu schwerwiegenden Beißvorfällen. Bei kleineren Hunden wird dies nicht so gravierend wahrgenommen und wird herunter gespielt. Meistens sind die Bissverletzungen nicht ganz so gravierend wie bei ihren großen Artgenossen, aber auch hier gilt ein Biss ist schon zuviel und ist nicht zu tolerieren.
  Es liegt in der Verantwortung der Halter bestenfalls bereits vor der Anschaffung des Hundes sich mit der Rasse und deren ursprüngliche Verwendung zu beschäftigen und sich die Frage zu stellen, ob ein solcher Hund in das Leben jeden einzelnen passt.
So könnten auch viele „Problemhunde“ vermieden werden, denn zumeist entstehen Probleme durch fehlgeleitete und aufgestaute Energie des Hundes, die vom Halter nicht wahrgenommen wird oder nicht wahrgenommen werden will. Um diese abzubauen sucht sich der Hund sein Ventil.

In vielen Fällen äußert sich dies auch durch „harmlose“ Unarten der Hunde, wie beispielsweise das Ausbüchsen und Jagen gehen. Aber jede Art von Verhaltensauffälligkeit ist nicht nur eine Einschränkung für den Hundehalter sondern immer auch massiver Stress für den Hund.
Auch hier zeigt sich: Oft wird dies durch die Menschen einfach verharmlost: „ Das ist ein Jagdhund… der geht nun mal jagen“ oder manchen Rassen wird sogar abgesprochen das sie erziehbar seien. Ebenso amüsant finde ich es, wie viele Rassen als „schwer erziehbar“ gelten: Beagle, Mops, Jack Russel Terrier, Dackel, Chihuahua … die Liste könnte ich noch viel weiter ausführen: Ich frage mich dann: Wie kann es sein, dass so viele Rassen schwer erziehbar sein sollen? Natürlich liegt es im Ermessen jedes einzelnen, in wie weit er seinen Hund erziehen möchte, jedoch spreche ich hier von der normalen Grunderziehung die jeder Hund beherrschen sollte.
Oft wird die Aussage getroffen: „Ach das ist ein XY Die sind nicht so einfach zu erziehen“. Umso erstaunlicher finde ich es, dass wenn diese Hunderassen engagiert im Hundesport geführt werden, durchaus sehr motiviert und erfolgreich sind. Es scheint so, dass es eine schlichte Ausrede ist, die sich leider bei vielen Hundehaltern so eingebürgert hat. Nicht selten trifft man diese Meinung auch auf vielen Hundeplätzen an, dass die Rasse XY besonders stur oder gar überhaupt nicht zu erziehen ist. Mit der richtigen Motivation und Einstellung sowie dem hundegerechten und rassespezifischen  Umgang mit den Hunden sind viele sehr gut zu erziehen. Natürlich braucht es bei manchen Rassen einfach mehr Überzeugungsarbeit, findet man jedoch den richtigen Schlüssel für seinen Hund, (egal ob Spielzeug oder Futter) so liegt es nur noch am konsequenten Umsetzen der Hundeführer um den Hund erfolgreich zu erziehen. Unsere Hunde sind dankbar arbeiten zu dürfen, denn es führt, im normalen Maße, zu einer physischen und psychischen Ausgeglichenheit. Dafür bedarf es mancher Regeln, die es dann nicht möglich machen, dass der Hund auf dem Esszimmertisch fotografiert wird, wie er sich über das Mittagessen seiner Halter her macht.  Mit einem Grundmaß an Erziehung erleichtert man sich nicht nur als Halter das Leben, sondern auch der Hund gewinnt sehr viel an Lebensqualität hinzu wenn er beispielsweise frei laufen kann. Allein aus diesem Grund sollte jeder Halter bemüht sein, sich so viel wie möglich mit seinem Hund zu beschäftigen und diesen zu erziehen. Es  den Hunden gegenüber nicht fair,  welche, wie zu Beginn erwähnt, jahrhundertelang für eine bestimmte Aufgabe gezüchtet und selektiert wurden, plötzlich arbeitslos zuhause zu halten. Mit einer adäquaten Auslastung und Erziehung sind viele Rassen tolle Familienhunde und stellen keine Gefahr für die Halter oder andere Mitmenschen dar.

Unnatürlich übersteigerte Aggressionen sind häufig Produkt einer sehr langen Frustration durch angestaute Energie. Das Zitat von Konrad Adenauer zur Arbeitslosigkeit lässt sich ebenfalls auf Hunde übertragen: „Arbeitslosigkeit bedeutet: Mangel und Elend, nicht nur körperlichen Mangel und körperliches Elend, sondern auch seelischen Mangel und seelisches Elend, das sich in die Seelen einprägt.“ (Konrad Adenauer) (Quelle: https://gutezitate.com/zitat/238544). Insbesondere der zweite Teil ist bezeichnend für viele, lange Zeit unterforderte Hunde, welche zu atypischen, zum Teil stereotypen Verhaltensweisen neigen. Noch einmal bezugnehmend auf die Beißvorfälle, insbesondere im Fall Chico,  zeigt sich, dass es eine Frage der Zeit war, denn der Hund wurde über Jahre nicht artgerecht gehalten. Der Übergriff war Produkt einer jahrelangen angestauten Frustration des Hundes. Hunde können dafür nicht verantwortlich gemacht werden: Das Verhalten unserer Hunde ist immer Produkt der Lebensumstände und der Erziehung.

Daher appelliere ich an alle Hundehalter, sich mit ihren Hunden zu beschäftigen, ihnen eine alternative Aufgabe geben. Denn dies schweißt nicht nur zusammen sondern macht zudem auch noch den Hund glücklich und zu einem treuen, ausgeglichenen Begleiter. Ebenfalls sollte sich niemand davon abschrecken lassen, wenn eine Rasse als „schwer erziehbar“ bezeichnet wird. Eine Rasse ist nur so, wie sie von den Haltern in der Gesellschaft präsentiert wird. Leider ist dies mittlerweile bei vielen Hunderassen ein verzerrtes Bild. Daher ist es umso wichtiger, dass engagierte Halter der Rassen aufzeigen, wie und mit welchen Bedingungen die Hunde zu halten und erziehen sind, um sie als loyale Partner halten zu können. Denn nicht jeder Mensch ist für das Halten jeder Hunderasse geeignet, viele Rassen sollten meiner Meinung nach nur von Haltern mit bestimmten Voraussetzungen gehalten werden können. Dabei denke ich nicht nur an Herdenschutzhunde sondern auch an viele extrem passionierte Jagdhunde. Es liegt also am Menschen selbst sich selbst zu reflektieren und abzuwägen, ob die gewünscht Hunderasse zu jemandem passt. So können viele Vorfälle, verhaltensauffällige Hunde, überforderte Halter und schlimmes Leid vermieden werden.

Vielen Dank für Eure Aufmerksamkeit !

Dominik Egger